Autor: Rike Malin; stud. paed.; Leibniz Universität Hannover
Lippen-Kieffer-Gaumenspalten
Diagnostik
Damit eine qualitativ hochwertige Sprachtherapie stattfinden kann, ist eine ausführliche Diagnostik notwendig. So wird eine Erkennung der komplexen Zusammenhänge bei einer LKGS-Fehlbildung möglich und therapeutische Ansatzpunkte können abgeleitet werden. Blickt man in die Vergangenheit, lässt sich erkennen, dass die sprachtherapeutische Diagnostik eine breite Spanne an objektiven, sowie subjektiven Vorgehensweisen aufweisen kann. In den letzten Jahren wurden reliable und valide Kriterien erstellt, die zu einer Standardisierung beitragen.
Nationale Diagnostikverfahren
Logopädische Diagnoseschema der Gaumenspaltensprache von der Arbeitsgruppe „Spaltträgerrehabilitation aus logopädischer Sicht“ (veröffentlicht 1987) (vgl. Neumann 2013, S. 5 ff.)
Zielgruppe: Kinder mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: allgemeine Übersicht über die Symptome der Gaumenspalte
Aufbau:
• kurzes, rein medizinisch-linguistisch ausgerichtetes Screening-Instrument
• berücksichtigt quantitativ die wichtigsten sprachlichen Symptombereiche ohne qualitative Analyse
• ausschließlich phonetische Betrachtung der Aussprachestörung des betroffenen Kindes
• Fehlen folgender Kriterien: Hinweise auf die allgemeine Entwicklung, die Sprachentwicklung, die Ernährung oder die Lebenssituation (keine Dokumentation möglich), Überprüfung des Gehörs, objektive Diagnostik des velopharyngalen Abschlusses, weitergehende phonologische Analyse, myofunktionelle Diagnostik (motorische und sensorische Funktionsprüfung des orofazialen Komplexes, der Schluckfunktion oder des Gesamtkörpers), Beurteilung des Atemtyps bzw. der Stimmqualität
Kommentar:
• sollte eine möglichst schnelle und praktikable Befunderhebung ermöglichen, die zum Zwecke der Vergleichbarkeit in der gesamten früheren DDR vereinheitlichend eingeführt werden sollte Diagnoseschema wurde von allen Spaltzentren der DDR übernommen
Kieler logopädische Diagnostik von Sprech- und Sprachstörungen bei LKG-Spaltpatienten von Godbersen (veröffentlicht 1991) (vgl. Neumann 2013, S. 5 ff.)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Analyse und Dokumentation von Luftstrom, Artikulation, Atmung, Stimme, Mundmotorik und Nasalität
Aufbau:
• Anamnese, Nasalitäts- und Artikulationsüberprüfung, Nasendurchgängigkeit, A-I-Probe, Stimulierbarkeit oraler Luftstromlenkung, Atmung, Stimmgebung, Mundmotorik, Körperspannung, generelle Sprachentwicklung und sonstiges (z.B. Visomotorik, Hörgedächtnisspanne, Fein/Grobmotorik)
• abgefragte Ziellaute werden einzeln im Bereich Luftstrom und Artikulation anhand vorgegebener Kriterien analysiert
• Einschätzungen werden durch Ankreuzen dokumentiert
• Kriterien im Bereich Luftstromanalyse: O=oral, N=nasal, G=gemischt (keine Angabe darüber, auf welche Art der Luftstrom diagnostiziert wird)
• Kriterien im Bereich Artikulation: K=korrekt, E=Artikulatorischer Ersatz durch einen dem Deutschen nicht zugehörigen Laut, V=Artikulatorische Verschiebung eines Lautes an eine andere dem Deutschen zugehörige Artikulationsstelle, A=Auslassung
• Anamnese enthält neben den üblichen Informationsabfragen Kategorien wie Ess- und Trinkverhalten im Säuglingsalter, Spiel- und Sozialverhalten im Sinne der Sprachhandlungsfähigkeit oder soziale Wahrnehmung der Störung
Kommentar:
• Atmungs- und Stimmanalyse ist auffallend ausführlich
• Einschätzung der Mundmotorik beschränkt sich ausschließlich auf die Lippen- und Zungenbeweglichkeit und die Kieferöffnung (normal bzw. eingeschränkt)
Minimaldokumentation der Sprech- und Sprachbefunde bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte von Godbersen und Gross (veröffentlicht 1989) (vgl. Neumann 2013, S. 5 ff.)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Erfassung der Auffälligkeiten der Lautbildung, Syntax und Morphologie, Wortschatz, Sprachverständnis und Resonanz
Aufbau:
• Erfassungsebenen: Lautbildung, Syntax und Morphologie, Wortschatz, Sprachverständnis und Resonanz
• Dokumentation der Auffälligkeiten durch Ankreuzen
• Keine Berücksichtigung der Beurteilung des velopharyngalen Abschlusses und der myofunktionellen Einschränkungen
• Einschränkungen in der sprachlichen Aktivität werden nicht beachtet
Kommentar:
• im Zusammenhang mit einer Minimaldokumentation zur Hörfähigkeit von LKGS-Patientinnen und Patienten veröffentlicht
• Zusammenfassung der Kieler logopädischen Diagnostik
• soll als Teil einer Gesamtdokumentation aller an der Behandlung beteiligten Fachdisziplinen gelten
• rein phonetisch ausgerichtetes, wissenschaftlich überholtes Material, das aufgrund seiner HNO-ärtzlichen Basierung ausschließlich die medizinisch-logopädische Sichtweise bei der Kriterienauswahl übernimmt
Heidelberger Rhinophoniebogen von Heppt, Westrich, Strate & Möhring (veröffentlicht 1991) (vgl. Neumann 2013, S. 5 ff.)
Zielgruppe: Kinder mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Analyse der Hypernasalität (Hyperrhinophonie) anhand des Nasometers nach Flechter
Aufbau:
• modifizierter Heidelberger Rhinophoniebogen nach Bressmann et. al. (1998)
- Inhalte: lange Vokale, Einzelwörter ohne Nasallaute, Nasal-oraler Wechsel, Sätze ohne Nasallaute, Sätze mit Nasallauten
• Bressmann empfiehlt Auslassung der Einzelwörter ohne Nasallaute fehlende diagnostische Relevanz
• Abfrage der Testsätze kann empirisch gesichert auf die Sätze „Peter spielt auf der Straße“ und „Nenne meine Mama Mimi“ reduziert werden
- Kriteriumsvalidität wird dabei nicht eingeschränkt
Kommentar:
• modifizierter Heidelberger Rhinophoniebogen nach Bressmann (1999)
- verwendet zur Nasalanzmessung mit dem Nasal View; ergänzt durch ein Leipogramm ohne Nasallaute
• ausschließlich zur Einschätzung der Hypernasalität
• keine Analyse der komplexen Störungszusammenhänge bei Kindern mit LKGS-Fehlbildungen
Mainzer Dokumentationsbogen Logopädie von Andreas, Eggeling, Fromm, Fischer-Voosholz, Spenthoff, Strate, Strube und Wohlleben (veröffentlicht 1993) (vgl. Neumann 2013, S. 5 ff.)
Zielgruppe: Kinder mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: kriteriengeleitete Dokumentation und Erfassung der wichtigsten Kardinalsymptome der sprachlichen Symptomatik bei LKGS-Fehlbildungen
Aufbau:
• Screening-Bogen
• Untersuchung und Dokumentation folgender sprachlicher Kriterien: Artikulation, Stimme, Atmung, Sprachentwicklung, Wahrnehmung/Motorik, isolierte Funktion der orofazialen Muskulatur, myofunktionelle Störungen, sonstige Befunde, Spontansprache, Stand der logopädischen Therapie
• Tonband- und Videoaufnahme
• computergestützte Auswertung des Screenings (dazu wurden Schweregrade der entsprechenden Symptomatik erstellt)
• Beurteilung der Resonanz (Hyper- oder Hyponasalität, Cul-de-sac-Resonanz (Mischform aus Hyper- und Hyponasalität)) mittels:
- subjektiver, auditiv-perzeptiver Einschätzung unter Verwendung eines Phonendoskops,
- Spiegelprobe nach Czermak oder
- A-I-Probe
• Myofunktionelle Einschätzung
- Funktionsprüfung von Ober- und Unterlippe, Wangenmuskulatur, Zunge, Velum und Pharynxbereich
- Einschätzung der Beeinträchtigung auf einer 4-stufigen Skala von „inaktiv“ bis „hyperaktiv“
- abschließende Beurteilung einer „vorhandenen“ oder „nicht vorhandenen“ myofunktionellen Störung
• Aussprachediagnostik
- Beurteilung des nasalen Durchschlags mittels Czermak-Spiegel und Palpation, Dokumentation der betroffenen Laute
- Differenzierung zwischen artikulatorischen Vor- und Rückverlagerungen (qualitativ und quantitativ)
- Auftreten von nasalen Turbulenzen bzw. nasalen Beigeräuschen
- Dokumentation der Beeinträchtigung der Spontansprache anhand einer Ratingskala
• Dokumentation der Atmung durch Feststellung des Atemtypus
• Einschätzung der Stimme durch ein auditiv-perzeptives Urteil im Sinne einer hyper- oder hypofunktionellen Stimmstörung
• am Ende des Dokumentationsbogens Ratingskalen in Bezug auf die allgemeine Sprachentwicklung, das Sprachverständnis, die morphologisch-syntaktischen sowie semantisch-lexikalischen Fähigkeiten
• weitere Berücksichtigung von Aspekten der allgemeinen Entwicklung in Form einer Beurteilung der Grob- und Feinmotorik sowie der auditiven, visuellen und taktil-kinästhetischen Wahrnehmung
Kommentar:
• Keine Transkription der verlagerten Lautbildung (Art und Ersatzlaute bleiben unklar) und keine Analyse der Auffälligkeiten unter phonologischen Gesichtspunkten
• die medizinische Ausgangsdiagnose bzw. die Vorgeschichte der KlientInnen bleibt unberücksichtigt
• kriteriengeleitete Dokumentation von sprachlichen Auffälligkeiten von Kindern mit einer LKGS-Fehlbildung, die allerdings nur die wichtigsten Kardinalsymptome der sprachlichen Symptomatik erfasst
• eine weiterführende qualitative Analyse der festgestellten Symptome (z.B. phonologische Fehleranalyse) ist nicht vorhanden
(vgl. Neumann 2013, S. 6 ff.)
LKGSF-komplex von Neumann (veröffentlicht 2011) (vgl. Neumann 2011, S. 31 ff.)
Zielgruppe: Menschen aller Altersstufen vom Säuglings- bis ins Erwachsenenalter mit LKGS-Fehlbildung
Ziel:
• sprachlich-kommunikativ relevante Abweichungen bei Kindern und Erwachsenen mit LKGS-Fehlbildung erfassen, analysieren und deren Bedingungsgefüge mit Kontextfaktoren im Sinne der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit/ für Kinder und Jugendliche (ICF/ICF-CY) aufzudecken
• Schwerpunkt liegt auf der Erfassung und Analyse der beeinträchtigten sprachlichen Lernbedingungen des Kindes mit LKGS-Fehlbildung
Aufbau:
• Aufbau in Form eines Baukastensystems, bei dem die einzelnen Analysebögen oder Teile kompatibel sind und miteinander verbunden werden können
• Unterteilung in verschiedene Altersgruppen
• Logische Analyse Reihenfolge ist vom Alter des Kindes/des Klienten, vom individuellen Schwerpunkt der Beeinträchtigung und dem Erfahrungsschatz der Therapeutin oder des Therapeuten abhängig
• Inventar setzt sich aus verschiedenen Bögen zusammen, die für eine umfassende Diagnostik in der Praxis erforderlich sind
- LKGSF Basis
- Orofaziale Diagnostik
- Phonologisch-phonetische Analyse
- ASAP-K (Analyse der sprachlichen Aktivität und Partizipation [Teilhabe] bei Kindern) und ASAP-E (Analyse der sprachlichen Aktivität und Partizipation [Teilhabe] bei Erwachsenen)
• des Weiteren: LKGSF Berichtbogen, Therapieverlaufsdokumentation, Brief- und Kommunikationsvorlagen, Universelle Reporting Parameter für LKGS-Fehlbildungen – Deutsche Version (URP-D) (für Studienzwecke)
• LKGSF Basis
- Analyse und Dokumentation von den LKGSF-typischen Hauptsymptomen wie velopharyngale Insuffizienz, Hypernasalität, Hyponasalität oder Cur-de-Sac-Resonanz, Nasaler Durchschlag, Nasale Turbulenz, mimische Mitbewegungen, Dysphonie und Verständlichkeit
- zusätzliche Möglichkeit der Dokumentation basaler Daten, wie z.B. medizinische Diagnose der Fehlbildung (LAHSHAL-Code, L = Lippenspalte, A = Kieferspalte (Alveolus), H = Hartgaumenspalte, S = Segelspalte), Operationszeitpunkte sowie Informationen zu Restlöchern und HNO-heilkundlichen Bedingungen
• Orofaziale Diagnostik
- Analyse der anatomisch-morphologischen Auffälligkeiten im orofazialen Bereich und Dokumentation deren möglicherweise eingeschränkter Funktion
- Dokumentation und Analyse von Nahrungsaufnahme (im Säuglingsalter und heute), Gewohnheiten (Habits) und Atmung (z.B. eine Mundatmung)
• Phonologisch-phonetische Analyse
- gibt Auskunft über die phonologisch-phonetischen Auffälligkeiten beim Kind und hilft artikulatorische Verlagerungstendenzen aufzuzeigen und zwischen passiv-
phonetischen und phonematischen Artikulationsverlagerungen zu unterscheiden
- Möglichkeit zur Erkennung des phonetischen und phonologischen Inventars des Kindes und zur Herausbildung dessen Stärken Tabelle zur Lautbildungskonsequenz/-präferenz
- Phonologische Prozessanalyse
- detaillierte Analyse der Lautrealisationen und Lautverwendungen des Kindes
- nach der Psycholinguistischen Analyse kindlicher Sprechstörungen (PLAKSS) (Fox 2007) werden Artikulatorische Prozesse, Physiologische Prozesse und Pathologische Prozesse unterschieden
-LKGSF-typische Prozesse
- Dokumentationstabelle phonologischer Prozesse (kumulativ zusammengestellt aus den Analysematerialien der PLAKSS (Fox 2007) und des Analyseverfahren zu Aussprachestörungen bei Kindern (AVAK) (Hacker & Wilgermein 2001))
- Dokumentationstabelle kompatibel mit den Analysekriterien der Patholinguistischen Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS) (Kauschke & Siegmüller 2010) und der Pyrmonter Aussprache Prüfung (PAP) (Babbe 2003)
- ergänzender Elternfragebogen (FRAGEL LKGSF) bietet die Möglichkeit, von den Eltern Hinweise auf phonetisch-phonologische Auffälligkeiten und Resonanzstörungen von Kindern der Altersgruppe I (0;6 und 2;11) zu bekommen
• ASAP-K
- ins Deutsche übersetzte und weiterentwickelte Version des Speech Participation and Activity of Children (SPAA-C) nach McLeod 2003
- Gliederung in Fragen an das Kind, die Eltern, Erzieher/Lehrer, Freunde und sonstige Kommunikationspartner
- Informationen zur Einschätzung der Sprachhandlungsfähigkeit des Kindes/Jugendlichen
• ASAP-E
- Möglichkeit der Einschätzung zu den Einschränkungen der Körperfunktion, Aktivität, Partizipation und des Wohlbefindens eines betroffenen Erwachsenen mit einer LKGS-Fehlbildung
- zur Festhaltung übergreifender Therapieergebnisse
• LKGSF Berichtbogen
- dient der Zusammenfassung der ausführlichen diagnostischen Ergebnisse aus den vorangegangenen Bögen
- als Weiterleitung an den überweisenden Kinderarzt oder Klinik gedacht
- Herausstellung des Diagnosediagramms/Therapiestandes, sprachlicher Auffälligkeiten und Therapieplanung durch Ankreuzen
- Berichterstattung soll dadurch stark vereinfacht und die Kommunikation zwischen den zuständigen Professionen erleichtert und verstärkt werden
• Therapieverlaufsdokumentation
- zur Vereinfachung der Dokumentation (zwei Seiten) und zur kontinuierlichen Transparenz
- auf der Basis einer transparenten und intersubjektiven Vorgehensweise werden gemeinsame, kooperativ gestaltete Zielinhalte und das therapeutische Vorgehen dokumentiert
- grobe Therapieinhalte mit detaillierter Auflistung von Therapieinhalten (individuell zu ergänzen)
• Kommunikationsbögen
- für den Austausch mit der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie
- Bögen: Medizinische Basisinformationen (MKG), Abklärung Submuköse GS-Fehlbildung und Abklärung Innere Nase/ Nasopharynx (jeweils mit Anschreiben und Antwortbogen)
• URP-D
- deutsche Übersetzung der „Universal Reporting Parameters für Individuals with Cleft Palate Speech“ (Henningsson et al. 2008)
- dienen zur Dokumentation von Sprechauffälligkeiten bei LKGS-Fehlbildungen und sollten bei der Auswertung von Studien verwendet werden
- nicht Teil des LKGSF komplex-Inventars selbst
Kommentar:
• bis zur Veröffentlichung im deutschsprachigen Raum kein einheitliches und evaluiertes sprachtherapeutisches Diagnostikmaterial vorhanden
• Das Inventar ist auf aktuellem Stand evidenzbasiert, orientiert sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF/ICF-CY, DIMDI 2005, WHO 2011) und implementiert international geltende Diagnostikstandards
Subjektive sprachtherapeutische Analysemethoden
Resonanzanalyse (vgl. Neumann 2009, S. 329)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: auditive Differenzierung (Diagnostik) zwischen einer Hyper- und Hyponasalität, z.B. bei der Erstvorstellung
Aufbau:
• „erfahrene“ Sprachtherapeutin oder „erfahrener“ Sprachtherapeut differenziert auditiv zwischen einem hypernasalen oder hyponasalen Stimmklang
• Einschätzung innerhalb einer Spontansprachsituation oder auf Silben-, Wort- oder Textebene durch Nachsprechen, Vorlesen oder Benennung von Bildmaterial
Hauchspiegelprobe nach Czermak (vgl. Neumann 2009, S. 329)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Die orientierende Unterscheidung zwischen Hyper- und Hyponasalität mittels Feststellung des nasalen Durchschlags. Sie liefert als subjektive Untersuchung erste zuverlässige Erkenntnisse.
Aufbau:
• Czermak’scher Spiegel oder speziell ausgeformte Metallplatte wird horizontal unter die Nasenlöcher gehalten
• systematische Abfrage aller Laute isoliert und auf Silben-, Wort- und Satzeben
physiologischer Befund:
• schmetterlingsförmiger Beschlag auf dem Spiegel durch die austretende Sprechluft durch die Nase nur bei den Nasalen /m/, /n/ und /ng/
pathologischer Befund:
• Hyponasalität: bei den Nasalen kein Beschlag auf dem Spiegel, je nachdem an welcher Seite der inneren Nase eine Behinderung der Luftpassage besteht
• Hypernasalität: zusätzlicher schmetterlingsförmiger Beschlag bei der Artikulation von Plosiven, Friaktiven und Affrikaten
A-I-Probe nach Gutzmann (vgl. Neumann 2009, S. 330)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Feststellung einer Hypernasalität; subjektives Verfahren zur ersten Orientierung
Aufbau:
• die Vokale /a/ und /i/ werden nacheinander abwechselnd artikuliert, wobei die Nasenflügel nach jedem Durchgang [/a/ - /i/] manuell verschlossen und wieder geöffnet werden
• vom Vorliegen einer Hypernasalität kann ausgegangen werden, wenn bei Lautieren mit geschlossener Nase eine Stimmklangveränderung auftritt
Phonendoskop (Nasenhörrohr) nach Gutzmann (vgl. Neumann 2009, S. 330)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Abhören eines nicht-hörbaren nasalen Durchschlags und einer Hypernasalität
Aufbau:
• 70 cm langer Gummischlauch mit austauschbaren Olivenansätzen
• eine Olive wird abschließend vor ein Nasenloch der Patientin oder des Patienten gehalten; das andere Ende hält der Untersucher in seinen Gehörgang
• Nachsprechen ausgewählter Testwörter
• Schlauch verstärkt eine nasale Luftflucht akustisch und ermöglicht somit die Ermittlung unphysiologischer Begleitgeräusche
Pathologischer Befund:
• Plosive: Durchschlaggeräusche
• Frikative: durch nasales Blasen begleitet
• bei Hypernasalität: bei Vokalen, besonders /u/ und /i/ verstärktes Dröhnen
Qualitative Artikulationsanalyse (vgl. cleftNet e.V.)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel:
• exakte Analyse und Dokumentation der LKGS-spezifischen Artikulationsfehler
• zusätzliche Einschätzung der Stimme und der eventuell zugrundeliegenden orofazialen Dysfunktionen
Aufbau:
• qualitative Fehleranalyse (Art der Fehler) anhand systematisch aufgebauter Verfahren (Great Ormond Street Speech Assessment – Deutsche Version (GOS.SP.ASS.’98-D))
• phonetische Transkription der Artikulationsveränderungen
Great Ormond Street Speech Assessment (GOS.SP.ASS’98) von Sell, Harding und Grunwell (erste Fassung veröffentlicht 1994) (Untersuchungsprotokoll) (vgl. Neumann 2011, S. 6 f.)
Zielgruppe: Kinder und Erwachsene mit einer LKGS-Fehlbildung
Ziel: Beurteilung bzgl. der Betroffenheit des orofazialen Bereichs, der Nasalität, des nasalen Durchschlags, der nasalen Turbulenz, der Stimme und der Artikulation
Aufbau:
• Beobachtung und Dokumentation des orofazialen Bereichs und mimischen Mitbewegungen, perzeptiver Einschätzung der Nasalität, des nasalen Durchschlags, nasaler Turbulenz, der Stimme und einer Artikulationsüberprüfung anhand von Testsätzen mit Bildmaterial
• nasaler Durchschlag zusätzlich dokumentiert durch den Spiegeltest nach Czermak
-beobachtete Auffälligkeiten werden anschließend in den GOS.SP.ASS.’98 eingetragen und nach LKGSF-typischen Charakteristika eingeteilt
• Beurteilung der Resonanz erfolgt auditiv-perzeptiv
-Feststellung der Art der Beeinträchtigung (Hyper- oder Hyponasalität, Cul-de-sac-Resonanz)
- Einschätzung des Schweregrades auf einer Ratingskala
• Aussprachediagnostik
- beinhaltet die Transkription der Ziellaute in In- und Auslautposition
- von einer phonologischen Analyse wird abgesehen
- Beurteilung eines nasaler Durchschlages und einer nasalen Turbulenz erfolgt auditiv/ Bewertung auf einer Schweregrad-Skala
• ausführliche myofunktionelle Diagnostik
- visuelle Inspektion der Strukturen von Nase, Lippen, Biss, Zähnen, Zunge, hartem Gaumen, Velum und Nasopharynx
- Verweis auf Bedeutung palataler Restlöcher
- funktionelle Testung der orofazialen Muskulatur
- keine Einschätzung der sensorischen Fähigkeiten
- skalierte Dokumentation mimischer Mitbewegungen
- screeninghafte Einschätzung der Stimmqualität der Kinder
- keine Aspekte der Atmung
Kommentar:
• 1999 in einer überarbeiteten Form von Sell, Harding und Grunwell veröffentlicht
• wird in Großbritannien standardmäßig eingesetzt
• in einige englischsprachige Länder (z.B. Neuseeland) implementiert
• Bogen wurde 2002 im Forum Logopädie auf Deutsch veröffentlicht, fand allerdings aufgrund Fehlens einer Handanweisung keinen Einzug in die sprachtherapeutische Praxis
Literatur
Bressmann, T., Sader, R.A., Awan, S., Busch, R., Zeilhofer, H.F., Brockmeier, J., Horch, H.H. (1998). Nasalanzmessung mit dem Nasal View bei der Therapiekontrolle von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Sprache – Stimme – Gehör, 22, 98-106.
Neumann, S. (2009). Rhinophonie und Lippen-, Kiefer-, Gaumen-, Segel-Fehlbildung. In M. Grohnfeldt (Hrsg.), Lehrbuch der Sonderpädagogik und Logopädie – Band 3: Diagnostik, Prävention und Evaluation (2. überarb. Aufl.)(S.327-337). Stuttgart: Kohlhammer.
Neumann, S. (2011). LKGSF komplex – Sprachtherapeutische Diagnostik bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildung. München: Reinhardt.
Neumann, S. (2013). Sprachtherapeutische Diagnostik bei LKGS-Fehlbildungen. In mitSprache – Fachzeitschrift für Sprachheilpädagogik, 13 (1), 5-25.