7. Sicherung der (sprachlichen) Lerninhalte

Verschiedene Forschungsergebnisse zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen mit Sprachbeeinträchtigungen häufig eine mangelnde Verarbeitung des auditiven Inputs zu beobachten ist.  Beispielsweise haben die betroffenen Schüler:innen Schwierigkeiten bei der auditiven Unterscheidung von Lauten sowie bei der Wahrnehmung von Reihenfolgen. Außerdem ist häufig eine eingeschränkte Kapazität des auditiven Arbeitsgedächtnisses zu beobachten (Bishop, 1994).

Für die Frage, wie (sprachliche) Lerninhalte im Unterricht gesichert werden können, ist es notwendig, sich die Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses genauer anzuschauen. Grundsätzlich handelt es sich beim Arbeitsgedächtnis um jene Instanz, die darüber entscheidet, in welcher Weise Informationen, die wir über verschiedene Wahrnehmungskanäle aufgenommen haben, kurzfristig zur Verfügung stehen bzw. langfristig abgespeichert werden (Gold, 2018).

Aus lernpsychologischer und sprachheilpädagogischer Sicht stellen sich (für das methodische Vorgehen im Unterricht) zwei Fragen:

  1. Wodurch gelingt es, dass bei der Vielzahl von Wahrnehmungsreizen nur diejenigen Informationen in das Arbeitsgedächtnis gelangen, die für den aktuellen Lernprozess von Bedeutung sind?
  2. Welche Prinzipien können helfen, dass neue (sprachliche) Lerninhalte im Arbeitsgedächtnis mit bereits gespeicherten vernetzt werden und entsprechend langfristig zur Verfügung stehen?

Gezielte, variantenreiche Wiederholung von Gelerntem

  • multimodale Verknüpfung von Wörtern im mentalen Lexikon:
    • inhaltliche Merkmale: prozedurale Information (Handlung zum Begriff zeigen, Gebrauchsmöglichkeiten nennen), episodische Informationen (persönliche Erinnerungen, Erfahrungen); semantische Bedeutung (Gegenteil, Umschreibung, Beispiele, …)
    • formale Merkmale: Schriftbild (Aufpass-Stellen: auf besondere Schreibweise aufmerksam machen), Silbenbögen/Durchgliederung der Wörter in Silben durch Silbenklatschen, Aussprache der Wörter, Wortbausteine, etc.
  • regelmäßige Wortschatzspiele und –rituale zur Wiederholung von Fachbegriffen
  • Glossar mit Fachbegriffen in den Raum hängen/in ein Heft schreiben
  • neue bzw. gerade eingeführte grammatikalische Zielstrukturen gehäuft im Unterricht einsetzen, sprachlich hervorheben und visualisieren
  • Anbieten von Inhalten auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen (z. B. verbal und visuell: Tafelbild, Wortspeicher)
  • gezielte Auswahl von Inhalten
  • Vereinfachung/Reduzierung/individuelle Übungsangebote passend zum (sprachlichen) Lernstand

 

Training von Wortabruf, -findung

  • Zeit geben zur Wortfindung
  • Abrufhilfen geben:
  • allgemeine Abrufhilfe (Zeit geben und motivieren)
  • semantische Abrufhilfe (Funktion oder Merkmal des gesuchten Begriffs nennen)
  • phonologische Abrufhilfe (z. B. Anlaut geben oder Anfangssilbe, Silbenanzahl nennen)
  • Einsatz ikonischer Gesten z. B. seitliches Flattern mit den Händen für das Wort “Schmetterling”

 

Einsatz von Lernstrategien (für effektives Üben)

  • Anbahnung von Wortschatzstrategien zum Erlernen und Merken von Fachwortschatz, z. B. die Strategie “Zaubertrick” (das Wort mehrmals hintereinander laut sagen); vgl. Konzept Wortschatzsammler (Motsch, Gaigulo & Ulrich 2022)
  • Begründen von Antworten
  • Reflexion des eigenen Lernprozesses
  • Verbalisieren von Lösungsstrategien

 

Handlungsorientierung

  • möglichst handlungsorientierte Erarbeitung von Inhalten
  • enge Verbindung von Handlung und Sprache ermöglichen (handlungsbegleitendes Sprechen)
  • Versprachlichung in mehreren Schritten:
  • Handlung (enaktiv; durch die Schüler:in oder Lehrkraft)
  • handlungsbegleitendes Sprechen (Lehrkraft versprachlicht Handlung, Schüler:in übernimmt schrittweise Versprachlichung)
  • innere Sprache (symbolisch, parallel zur Handlung; vgl. Reber & Schönauer-Schneider, 2022)

 

Multiperformanzprinzip

  • Üben (sprachlicher) Lerninhalte und Strukturen (z. B. neue Begriffe) auf vielfältige Weise, d. h. in verschiedenen Modalitäten:
  • Verstehen von Lerninhalten/Strukturen (Rezeption)
  • Nachgestalten von Lerninhalten/Strukturen (Reproduktion)
  • eigenaktive Anwendung von Lerninhalten/Strukturen (Produktion)
  • Reflexion der Lerninhalte/Strukturen (Reflexion; vgl. Reber & Schönauer-Schneider, 2022)

Weiterführende Literatur/Links