Sprachentwicklungsstörungen

Definition

Unter Sprachentwicklungsstörungen (SES) versteht man eine nicht altersentsprechende Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes. Im Unterschied zu dem übergeordneten Begriff Sprachstörung ist bei einer SES das System Sprache betroffen. Die Symptome einer SES werden auf linguistischen Ebenen beschrieben, wobei hier mehrere betroffen sein können. Man unterscheidet im Wesentlichen phonetisch-phonologische Störungen (Dyslalie), dysgrammatische Störungen und Störungen auf der semantischen Ebene. Der Grad der Verzögerung kann in allen Bereichen gleich oder unterschiedlich sein. Teilweise wird die Störung jedoch weniger als eine Verzögerung, sondern mehr noch als eine qualitative Abweichung von einer zu erwartenden Entwicklung begriffen.

(vgl. Füssenich/Baumgartner (Hrsg.): Sprachtherapie mit Kindern. München 1999)


Symptome

- Nicht altersgemäßer Wortschatz

- Schwierigkeiten, Laute korrekt auszusprechen                                                                            

- Schwierigkeiten, grammatisch korrekte Sätze altersentsprechend zu bilden

 - Verstehen von Sprache im Verhältnis zur Intelligenz deutlich eingeschränkt

Die Symptome einer Sprachstörung unterscheiden sich je nach Ursache:

Artikulationsstörung

Bei einer Sprechstörung, die die Lautbildung (Artikulation) betrifft, können die Kinder einzelne Laute nicht richtig aussprechen. Die Patienten formen z. B. bestimmte Buchstaben wie "s" oder "l" nicht korrekt oder ersetzen sie durch andere Laute. Sind mehrere Laute betroffen, kann man die Kinder oft kaum verstehen.

Sprechstörung (expressive Sprachstörung)

Die Kinder können andere gut verstehen, sich aber selbst - gemessen an ihrem Alter - nur schlecht ausdrücken. Kann z. B. ein zweijähriges Kind keine einzelnen Wörter sinnvoll gebrauchen, kann eine Sprechstörung vorliegen. Der Wortschatz der betroffenen Kinder ist begrenzt, sie bilden kurze Sätze, die oft grammatikalisch falsch sind.

Zu den Sprechstörungen gehört auch das Stottern. Stotternde Kinder können nicht fließend sprechen, sie wiederholen bestimmte Silben häufig hintereinander oder machen mitten im Satz eine Pause, erscheinen wie blockiert. Wenn ein Kind sehr schnell und dadurch verwaschen und unrhythmisch spricht, aber keine Silben wiederholt und beim Sprechen nicht zögert, spricht man vom Poltern. Dabei lässt das Kind häufig auch Wörter oder Silben aus. Stottern und Poltern sind oft besonders ausgeprägt, wenn das Kind angespannt ist.

Störung des Sprachverständnisses

Die Kinder können schlecht verstehen, was man ihnen sagt, und können sich zugleich auch selbst nur eingeschränkt mit Worten ausdrücken. Auffällig ist z. B., wenn ein Zweijähriger selbst einfache Aufforderungen nicht versteht.

Ursachen

Für eine SES können folgende Ursachenkreise verantwortlich sein:

- Medizinische Faktoren (bes. Hörstörungen)
- Genetische Faktoren
- Soziokulturelle Faktoren
- Umweltfaktoren
- Psychische Faktoren

Bei Störungen des Sprechens und Sprache muss immer von mehreren verursachenden Faktoren ausgegangen werden. Oftmals lässt sich keine bestimmte Ursache für die festgestellte Störung "dingfest" machen.

Babys kommen bereits sprachlich vorbereitet auf die Welt; so können sie zum Beispiel bereits kurze Zeit nach der Geburt die Muttersprache von Fremdsprachen unterscheiden (anhand lautlicher und melodischer Merkmale).

Der Spracherwerb hängt einerseits entscheidend von der sprachverarbeitenden Ausstattung des Kindes ab, andererseits aber auch vom sprachlichen und kommunikativen Umfeld, in dem ein Kind aufwächst.

Dennoch wird nicht jedes Kind mit einer unterdurchschnittlichen Sprachverarbeitungs-Kompetenz eine manifeste Störung entwickeln. Und selbst ein ungünstiges sprachliches Umfeld führt nicht zwingend zu einer Sprachentwicklungsstörung.

Sprachentwicklungsstörungen lassen sich im allgemeinen auf eine unzureichende Passung zwischen diesen beiden Faktoren zurückführen.

Zum Teil treten Sprachentwicklungsstörungen in Kombination mit anderen Störungsbildern auf, wie Störungen der Sprechorgane (z.B. Lippen- Kiefer- Gaumenspalte), Hörstörungen, Sehstörungen, Störungen der Motorik oder globale Entwicklungsstörungen (z.B. Autismus, geistige Behinderung).

 

Literatur

Füssenich/Baumgartner: Sprachtherapie mit Kindern, München 1999

Siegmüller/Bartels: Leitfaden Sprache-Sprechen-Stimme-Schlucken, München 2006

Grohnfeldt: Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie, Band 2, Stuttgart 2001

Schrey-Dern: Sprachentwicklungsstörungen, Stuttgart 2006