Dysgrammatismustherapie nach Kruse 2007
Zur Autorin
Ausbildung an der Logopädie-Fachschule und Studium der Linguistik in Erlangen,Logopädin in freier Praxis, Lehrtätigkeit an der Logopädie-Fachschule Erlangen
Theoretischer Hintergrund
Die Dysgrammatismustherapie nach Kruse basiert auf dem Phasenmodell von Clahsen (1986) und auf dem daraus entstandenen Modell des natürlichen Grammatikerwerbs (Kruse). Dabei werden von der Autorin Dezentrierung und Fokussierung besonders hervorgehoben:
Unterrichtskonzepte
„ Die Dezentrierung ermöglicht es dem Kind, sich geistig und verbal vom Hier und Jetzt zu lösen.“ (Kruse, 2007: 76)
Die unterschiedlichen Verbformen bezeichnen auch unterschiedliche Funktionen der Sprache.
Beispiel:
Perfekt (Abgeschlossenheit der Handlung) ↔ Präsens (Andauern der Handlung)
„Fokussieren ermöglicht es, die Aufmerksamkeit und Wahrnehmung aktiv zu steuern.“ (Kruse, 2007: 76)
Bedeutsam für die Sprachentwicklung ist die Filterung auditiver Reize sowie die Fähigkeit Aussagekerne zu erkennen.
Die Fokussierung ermöglicht die folgerichtige und kohärente Wiedergabe von Erlebnissen.
Therapiekonzept
Grundannahme:
Dysgrammatische Kinder können sich nicht aus einer Perspektive lösen. Dieser Perspektivenwechsel muss im Dialog ständig vollzogen werden
Ansatz: Interaktion
Ziel: Erfassung und Festigung bestehender grammatischer Fähigkeiten, Erreichen des nächsten Entwicklungsschritts
Vorgehen:
1.Betrachtung des am wenigsten entwickelten Bereiches (grammatische Kategorie) und Zuordnung zu entsprechender Phase
2.Bestimmung der zu dieser Phase gehörigen Fähigkeiten (Soll- und Ist-Zustand)
3.Bestimmung der Fähigkeiten der nächsten Phase
4.Therapeutischer Auftrag: Fähigkeiten der momentanen Phase festigen,Strukturen der nächsten Phase anbieten Zone der nächsten Entwicklung
Grammatische Kategorien
• Aspekt und Tempus (Perspektivenwechsel)
• Personenflexion (Perspektivenwechsel)
• Verwendete Wortarten und Wörter (Fokussierung)
• Kasus (Perspektivenwechsel)
• Syntax (Perspektivenwechsel und Fokussierung)
• Fragen (Perspektivenwechsel und Fokussierung)
Einige der grammatischen Kategorien erfordern vom Kind eine fortschreitende Entwicklung im Perspektivenwechsel, andere bei der Fokussierung!
Basismethoden
Der Dialog bietet den natürlichsten und besten Rahmen, um die beiden Perspektiven zu fördern: Probleme lösen, Konflikte lösen, Rollenspiele, Handlungen beschreiben
Beispiel für die therapeutische Intervention: Einstieg in Phase IV
• Aspekt und Tempus: Perfektbildung mit haben
• Methoden: von Vergangenem berichten, z.B. Handlungen beschreiben, Bildgeschichten,
• Personenflexion: vollständige Flexion, v.a. 2. Pers. Sing.
• Methoden: Schwarzer Peter, Ratespiele, Kasperletheater
• Verwendete Wortarten/Wörter: Präpsitionen auf/unter, bestimmte Artikel
• Methoden: Lotto, Memory, Blinde Kuh
• Kasus: Erster Gebrauch des Akkusativs
• Methoden: Memory, Lotto, Blinde Kuh, Einkaufen
• Syntax: finites Verb in Zweitstellung, flexibles Vorfeld
• Methoden: Tiere füttern, Ratespiel „Womit?“
• Fragen stellen: Inversion, erste komplexe Fragen
• Methoden: Bilder suchen, „Ich sehe was, was du nicht siehst“
Kritische Reflexion
Positive Aspekte:
- Gute Struktur
- Ursachenorientiertheit
- Flexibilität
- Individuelle Anpassung möglich
- Hoher Interaktionsanteil
Mögliche Schwierigkeiten:
- Fixierung auf Zielstruktur schwierig
- Reaktion auf „falsche“ Äußerungen?
- Starke Modifikation des Outputs erforderlich
Literatur
Kruse, S. (2007): Kindlicher Grammatikerwerb und Dysgrammatismus. Verstehen – Erkennen – Behandeln. Bern: Haupt